Ganz einfach Menschlichkeit leben

Eine symbolische Schuhsammelaktion haben am Sonntag, 24. Mai, die Reutlinger Seebrücke und Asylpfarrerin Ines Fischer auf dem Reutlinger Marktplatz durchgeführt.

Deutschlandweit gab es am Sonntag, 24. Mai, in zahlreichen Städten ähnliche Aktionen wie auf dem Reutlinger Marktplatz: „Sie sind als Bürgerinnen und Bürger der Stadt eingeladen, ein Paar Schuhe von sich selbst mitzubringen und diese auf dem Markplatz zu platzieren“, hieß es bei der ungewöhnlichen Kundgebung. Die Schuhe stehen nach den Worten von Katharina Bausch „als Symbol für Demonstranten, die sich einsetzen für die Menschen in Flüchtlingscamps in Griechenland, Kroatien und Serbien“, so die Sprecherin der Reutlinger Seebrücke.

„Es gibt in den Lagern meist keine medizinische Versorgung, es gibt keine Hygiene, Abstandhalten ist völlig unmöglich, die Situation ist einfach furchtbar“, betonte auch Asylpfarrerin Ines Fischer am Sonntag auf dem Marktplatz. Sollte sich das Corona-Virus in den Lagern ausbreiten, „wären die Menschen dort schutzlos ausgeliefert“, sagte Katharina Bausch. Insgesamt 600 Paar Schuhe sind zwischen 13 und 17 Uhr auf dem Reutlinger Marktplatz zusammengekommen, es ergab sich eine eindrucksvolle Schuhparade – wobei auffiel, dass alle Schuhpaare in Richtung Rathaus ausgerichtet waren. Warum? Das sei als Aufforderung zu verstehen. „Wir möchten, dass der Reutlinger Gemeinderat und die Stadt aktiver werden“, sagte Bausch. Immerhin habe sich die Stadt per Gemeinderatsbeschluss zum „Sicheren Hafen“ erklärt. Danach sei aber nichts mehr erfolgt. Nun gelte es, „dass sich die Stadt für die Forderungen eines Landesaufnahmeprogramms stark macht“, so Bausch.

Es könne nicht sein, „dass sich alle hinter der EU und hinter Bundesinnenminister Horst Seehofer verschanzen“, betonte die Seebrücken-Aktive. Reutlingen könne zusammen mit dem baden-württembergischen Städtetag Druck auf die Landesregierung ausüben. Schließlich gebe es einen Gerichtsbeschluss, nach dem die einzelnen Bundesländer mehr Flüchtlinge aufnehmen könnten – also deutlich mehr als die 47 Minderjährigen, die vor kurzem aus dem Lager Moria auf Lesbos geholt wurden. „Diese Zahl ist lächerlich“, betonte auch Beate Müller-Gemmeke. Sie war am Sonntag ebenfalls anwesend und hatte Schuhe gebracht. „Wir fordern schon lange von der Bundesregierung, dass mehr Flüchtlinge aufgenommen werden“, so die Grünen-Bundestagsabgeordnete. Ebenfalls vor Ort war der SPD-Fraktionsvorsitzende des Reutlinger Gemeinderats. Helmut Treutlein sagte, dass die Sozialdemokraten zwei Anträge gestellt hätten: „Es wird Zeit, dass Reutlingen aktiv wird, um mehr Flüchtlinge aufzunehmen“, so Treutlein. Viele Reutlingerinnen und Reutlinger seien bereit sich für weitere Geflüchtete einzusetzen und zu engagieren, betonte Edeltraud Stiedl, die ebenfalls für die SPD im Gemeinderat sitzt. „Es kann doch nicht sein, dass wir Griechenland allein lassen – und es wäre wahrlich keine Riesengroßtat, weitere Geflüchtete aufzunehmen, es würde ganz einfach Menschlichkeit gelebt“, waren sich Treutlein und Stiedl einig.