Mehr als nur Ankommen

Wie das Team des Diakonieverbands Geflüchtete in der Erstaufnahmeeinrichtung in Betzingen betreut und gemeinsam mit ihnen den Alltag bewältigt.

Die Erstaufnahmeeinrichtung (EA) in der Carl-Zeiss-Straße ist ein zentraler Ort für die Unterbringung geflüchteter Menschen in der Region. Hier bietet ein multiprofessionelles Team des Diakonieverbands den jungen Asylbewerbern u.a. aus Afghanistan, Syrien, China, Indien und der Türkei angesichts schwieriger Rahmenbedingungen und hoher psychischer Belastung Unterstützung an. 

„Mit großem Engagement und einer klaren Mission im Herzen setzen sich unsere Mitarbeitenden täglich dafür ein, Menschlichkeit und Würde zu bewahren – unabhängig von Herkunft, Kultur oder Lebenssituation,“ beschreibt Asyldiakonin und Teamleiterin Anna Sonnemann Aufgabe und Anspruch der Tätigkeit.

Teamarbeit und Streetwork stehen im Vordergrund

Das Team besteht aus sechs Mitarbeitenden mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Sozialberatung, Asylverfahrensberatung, Streetwork und Ehrenamtskoordination. Die tägliche Präsenz vor Ort gewährleistet eine kontinuierliche Betreuung und Beratung. Die Aufgaben reichen von der Unterstützung bei Anträgen und Behördengängen über psychosoziale Beratung bis hin zur Organisation von Freizeit- und Integrationsangeboten. Fatima Aygümüs, die selbst aus der Türkei stammt und Migrationsrecht studiert hat, berät zusammen mit Anna Sonnemann und mit Unterstützung von Rechtsanwalt Manfred Weidmann Geflüchtete in Fragen des Asylrechts. Diese allgemeine Verfahrensberatung (AVB) wird vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finanziert.

Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit ist die Begleitung durch die beiden Streetworker Jasmina Krizanak und Florian Sittle. Sie sind regelmäßig auf dem Gelände und im Stadtteil unterwegs, suchen den direkten Kontakt zu den Bewohnern der EA und bieten Unterstützung bei individuellen Problemen, Konflikten oder Einsamkeit. Sie sind niedrigschwellige Ansprechpartner, führen bei Bedarf auch schwierige Gespräche und vermitteln weitere Hilfsangebote.

Ehrenamtliches Engagement und Netzwerkarbeit

Die Arbeit in der Erstaufnahmeeinrichtung lebt von Teamgeist, der fachlichen Kompetenz vor Ort und der Bereitschaft, kreative Lösungen für neue Herausforderungen zu finden. Die Zusammenarbeit mit anderen Fachabteilungen, externen Partnern und engagierten Ehrenamtlichen ist dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor.

Die Koordination und Einbindung von Ehrenamtlichen ist ein weiterer Schwerpunkt. Dazu Henrik Bromann, der für den Aufbau des Netzwerks zuständig ist: „Da die Einrichtung erst seit Dezember in Betrieb ist, führe ich noch viele Gespräche, um unsere Arbeit in den Gemeinden erstmal vorzustellen, schreibe Artikel für Gemeindebriefe und Anzeigenblätter, um Freiwillige zu gewinnen.“ 

Erste Freiwillige unterstützen bereits das Team bei der Gestaltung von Freizeitangeboten, Sprachförderung und Alltagsbegleitung. Die männlichen und meist jungen Geflüchteten dürfen in den ersten sechs Monaten ihres Aufenthalts nicht arbeiten und sind dankbar für jede Form der Beschäftigung und Begegnung. Besonders gefragt sind derzeit niederschwellige Angebote zum Deutschlernen, Sport, Spaziergänge sowie kulturelle Aktivitäten wie Stadtteilführungen oder Bibliotheksbesuche. Besonders beliebt sind Fußball und Klettern. Hier gibt es auch Gespräche mit hiesigen Sportvereinen.

Herausforderung Alltag

Die räumlichen und materiellen Bedingungen vor Ort sind herausfordernd: Die Flüchtlinge leben in einem großen Zelt, das in offiziellen Verlautbarungen gerne als Leichtbauhalle bezeichnet wird. Privatsphäre gibt es hier nicht. Alles ist funktional ausgestattet. Im Winter ist es kalt und zugig, im Sommer drückend heiß. Rückzugsräume sind begrenzt, Freizeit- und Grünflächen kaum vorhanden. Das Team begegnet diesen widrigen Bedingungen mit Flexibilität und Kreativität: Sportangebote werden auf dem Parkplatz organisiert, für Koch- und Backprojekte werden externe Räume wie das Integrationszentrum genutzt. Die Sicherheit und das Wohlbefinden der Bewohner stehen dabei stets im Mittelpunkt.

Ein besonderer Fokus liegt auf dem Zugang zu medizinischer und psychologischer Versorgung. Katharina Wagner, die in der Sozialberatung aktiv ist, unterstützt die Bewohner dabei, dringend benötigte Gesundheitsleistungen zu erhalten und arbeitet dazu eng mit externen Fachstellen zusammen. Das Problem bleibt aber, dass die medizinische Versorgung von Geflüchteten eingeschränkt ist und sich auf das Allernötigste beschränkt.

Unser Engagement für Menschen in Not

Die EA in Betzingen steht für fachlich fundierte, an den Menschen orientierte Arbeit mit Geflüchteten. Die Erfahrungen aus dem Alltag zeigen, wie wichtig eine enge Vernetzung, flexible Angebote und ein wertschätzender Umgang sind, um Integration und Teilhabe zu ermöglichen. Der Diakonieverband Reutlingen zeigt, wie gelebte Nächstenliebe im Alltag aussehen kann. Wie die Arbeit nach 2025 weitergeht ist unklar, sagt Dr. Joachim Rückle als Geschäftsführer des Diakonieverbands: „Einerseits will das Land die Erstaufnahme in Reutlingen und Tübingen ausbauen und verstetigen, andererseits kann und darf die Notunterkunft im Zelt kein Dauerzustand sein.“ 

Das Land fördert über das Tübinger Regierungspräsidium die Arbeit des Diakonieverbandes in der EA. Wer die Arbeit unterstützen, mehr erfahren oder sich persönlich engagieren möchte, kann gerne mit dem Team in Kontakt treten und dazu beitragen, das Leben der Menschen in Not ein Stück zu verbessern.