Gegen die Einsamkeit

Netzwerktreffen von Institutionen, Einrichtungen und Privatpersonen in der Citykirche - Gedanken gegen die Vereinsamung

Einsamkeit ist eine subjektive Empfindung. Und Einsamkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, wie am Mittwochabend in der Reutlinger Citykirche etwa von Stephanie Gohl als stellvertretender Leiterin des Diakonieverbands Reutlingen hervorgehoben wurde. Nicht umsonst sei in England gar ein Ministerium gegen Einsamkeit gegründet worden. Das Problem von zunehmender Vereinsamung vieler Menschen (gesprochen wurde von 8 Prozent Betroffener in der Bevölkerung) bestehe aber auch in Deutschland, wie Thomas Poreski in der Citykirche betonte. Gründe dafür?

„Die klassischen Milieus vergangener Tage gibt es nicht mehr“, sagte der Grünen-Landtagsabgeordnete. Wie aber könne erreicht werden, dass „wieder Strukturen entstehen, damit Teilhabe gelingt“, fragte Poreski. Seine Antwort: „Es ist unsere Aufgabe als Zivilgesellschaft, dass sich einsame Menschen gesehen fühlen.“ Allerdings bröckle der soziale Zusammenhalt, so der Grünen-Politiker. Trotz zahlreicher Initiativen wie Nachbarschaftszentren oder etwa das Projekt „Lebenswert“ an der Reutlinger Kreuzkirche „finden viele Menschen keinen Anschluss“. Hinzu kämen viele Krisen wie Corona, der Ukraine-Krieg, Klimakatastrophen und mehr, die auch junge Menschen verunsichern.

Andere Gründe für Einsamkeit? „Die fehlende soziale Absicherung, weil einige Angebote doch auch Geld kosten“, sagte Stephanie Gohl. Bei anderen Menschen sei es die nicht ausreichende Mobilität, die sie einsam mache – oder auch die Auflösung der familiären Strukturen, der verstärkte Rückzug ins Private sowie die Digitalisierung.

„Wir haben eine bundesweite Einsamkeitsstrategie, wir brauchen die auch im Land und in den Kommunen“, sagte die SPD-Landtagsabgeordnete Dorothea Kliche-Behnke. Es gebe beim Thema Einsamkeit große Unterschiede zwischen Stadt und Land, klar sei aber: „Einsamkeit ist ein schwerwiegendes Problem, das auch zu gesundheitlichen Einschränkungen führen kann.“

Dass es in Reutlingen bereits einige Angebote gibt, die versuchen, das Thema aufzugreifen und dagegen anzugehen – das verdeutlichten am Mittwochabend einige Initiativen und Projekte, die in der Citykirche vorgestellt wurden. „Traude“ etwa ist noch relativ neu und wurde vom Diakonieverband ins Leben gerufen: „Das Programm hat zum Ziel, soziale Teilhabemöglichkeit für ältere Menschen auszubauen, die finanzielle Absicherung im Alter zu stärken und kommunale Teilhabestrukturen zu unterstützen“, erläuterte Gohl.

Andere Projekte wurden vorgestellt, etwa der Donnerstags-Club für Menschen mit seelischen Problemen oder ein Gesprächsangebot in der Citykirche. „Orte des Zuhörens“ bietet die Caritas an, die Projekte „60plus“ oder „Do it together“ für junge Erwachsene kommen von der Katholischen Erwachsenenbildung. Das Problem der Einsamkeit habe es bei alleinerziehenden Müttern schon seit 35 Jahren gegeben, seit der Gründung des Mütterzentrums, wie Bettina Noack betonte. Ein Frühstück für Alleinerziehende greift in der Citykirche genau diese Problematik auf. „Shelter&help“ vom Diakonieverband versucht nun Jüngere und Ältere auch beim Wohnraum zusammenzuführen, so Christine Kuhnle.

Bernd Opitz als Leiter der „Abteilung für Ältere“ berichtete, dass die Stadt versuche, dort einzugreifen, wo keine anderen Angebote vorhanden sind. Mit Stadtteil- oder Quartiersarbeit etwa. „Wir versuchen, Menschen wieder zu integrieren.“ Zufrieden zeigten sich Dr. Joachim Rückle als Geschäftsführer des Reutlinger Diakonieverbands mit diesem Abend, der als Netzwerktreffen gedacht war – und der auch zur Vernetzung all der Angebote gegen Einsamkeit geführt habe. Klar gewesen sei, laut Stephanie Gohl, dass diese Treffen weitergehen sollen, aber auch, dass die bestehenden Angebote besser bekanntgemacht werden müssten. Genau das hatten nämlich Privatpersonen in der Citykirche geäußert: Dass sie von dem breitgefächerten Angebotsspektrum bislang keine Ahnung hatten.