Wenn sich mittwochs der Duft von frischem Kaffee und warmem Gebäck im Hohbuch Quartierscafé ausbreitet, dann liegt etwas in der Luft, das man nicht sehen, aber spüren kann: Gemeinschaft.
Menschen kommen zusammen, lachen, erzählen, helfen einander. Was nach einem gemütlichen Nachbarschaftstreffen aussieht, ist in Wahrheit ein Ort, an dem Menschen über sich hinauswachsen – und Lebensgeschichten geteilt werden.
Seit September 2023 leitet Martina Aftim das Quartierscafé. Mit ihrem Hintergrund in der Gastronomie und ihrer wachsenden Leidenschaft für soziale Arbeit, hat sie den Ort maßgeblich geprägt. „Ich habe gemerkt, dass meine soziale Ader immer deutlicher wird“, erzählt sie. „Das Café verbindet genau das, was ich gesucht habe – Gastronomie und Gemeinschaft.“
Sie beschreibt das Café als einen Raum, in dem eine bunte Mischung von Menschen sich ausprobiert und gegenseitig unterstützt. Besonders freut sie sich über Momente, in denen Ehrenamtliche über sich hinauswachsen: „Wenn ich sehe, dass der Service zwar nicht perfekt läuft, aber die Gäste glücklich sind, dann weiß ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“
Die Leidenschaft fürs Gastgeben bringt sie aus ihrer früheren Laufbahn mit: „Ich komme aus der Gastronomie, aus einem großen Hotel- und Restaurantbetrieb. Wir hatten 30 Betten, 100 Tische drinnen, 70 draußen – das war meine Welt.“Doch irgendwann wuchs in ihr der Wunsch nach etwas anderem. „Mein damaliger Partner sagte beim Einstellen neuer Mitarbeiter oft: ‚Wir sind nicht bei der Caritas.‘ Und genau da wurde mir klar: Doch, das Soziale liegt mir im Blut.“
Als sie die Stellenausschreibung des Diakonieverbands vom Begegnungs-Café entdeckte, war es sofort ein Gefühl von Richtigkeit. „Gastro und der soziale Bereich – das war für mich die perfekte Mischung. „Der größte Reiz liegt darin, zu entdecken, wo jeder Mensch steht, und ihm das mitzugeben, was er braucht – Fachkenntnis, Gemeinschaft oder einfach das Gefühl, dazuzugehören.“
Im Quartierscafé geht es oft darum, Neues zu wagen. „Manche unserer mithelfenden Hände bringen ganz unterschiedliche persönliche Erfahrungen und Hintergründe mit, zum Beispiel im Umgang mit Autismus, ADHS, Suchterkrankungen oder Depressionen. Sie arbeiten im Service, mit Kontakt zu anderen Menschen, und verlassen dort regelmäßig ihre Komfortzone – und wachsen daran. Das zu sehen, macht mich sehr froh“, sagt die Leiterin.
Auch Habib, unser aus dem Iran stammender Freitagskoch, beweist immer wieder Mut und sucht sich jede Woche ein neues Gericht aus – heute zum Beispiel Kartoffelgratin. Er hat das noch nie vorher gemacht. Aber er probiert, lernt und findet Freude daran, weil es eigentlich immer schmeckt.“
Zwei ehrenamtliche Mitarbeitende berichten, dass das Miteinander und die gegenseitige Unterstützung sie besonders motivieren. „Das Schönste ist die Gemeinschaft – man lernt immer neue Menschen kennen und wächst jeden Tag ein Stück über sich hinaus“, fasst eine Helferin zusammen.
Für viele hat das Engagement eine persönliche Bedeutung. Ein Ehrenamtlicher, der nach einer Phase der Arbeitslosigkeit ins Quartiercafé kam, erzählt: „Das Café hat mich aufgefangen. Ich konnte zeigen, was ich kann, und habe hier meinen Platz gefunden.“ Besonders bewegend sind die Geschichten von Menschen, die hier wieder Lebensfreude gefunden haben.„Ich hatte oft Schwierigkeiten, in Schwung zu kommen“, erzählt eine Helferin. „Aber wenn ich hier bin, bin ich den ganzen Tag in Aktion – und abends fühle ich mich wunderbar. Nicht erschöpft, sondern erfüllt. Es ist ein gutes Gefühl, gebraucht zu werden und etwas Sinnvolles zu tun.“
Auch die Gäste kommen gern – und bleiben oft länger, als sie vorhatten.„Die Atmosphäre ist einfach schön“, sagt eine Besucherin, während sie ihr Stück Kuchen genießt. „Die Menschen sind herzlich, das Essen lecker – besonders mittwochs und donnerstags, wenn die Schüler der Oberlinschule kochen.“ Sie lacht. „Wir haben hier unseren festen Tisch. Alles in Butter, könnte man sagen.“
Durch den stetigen Zulauf an Freiwilligen und das stabile Angebot hat sich das Café etabliert. Auch Joachim Rückle als Geschäftsführer des Diakonieverbandes freut sich über diese Entwicklung: „Es ist schön zu sehen, wie das Team wächst und wie selbstverständlich Inklusion hier gelebt wird.“
Das Quartierscafé Hohbuch ist ein inklusiver Treffpunkt im Stadtteil Hohbuch-Schafstall, einer der am dichtesten besiedelten Quartiere in Reutlingen. Es wird seit 2008 vom Diakonieverband Reutlingen gemeinsam mit der Evangelischen Kirchengemeinde getragen. Ursprünglich als niedrigschwelliger Mittagstisch mit Bildungs- und Integrationsangeboten für Menschen aller Generationen gestartet, hat sich das Café zu einem zentralen Begegnungsort weiterentwickelt. Ziel ist, Nachbarschaft und Teilhabe zu fördern – unabhängig vom Einkommen oder der Herkunft. Speisen und Getränke sind kostenfrei, Spenden willkommen. Das Café lebt von freiwilligem Engagement, fördert soziale Kontakte und ermöglicht Menschen mit und ohne Unterstützungsbedarf gemeinsames Wirken und Lernen. So trägt das Quartierscafé seit vielen Jahren maßgeblich zum guten Miteinander im Stadtteil bei.